Manche Anlageempfehlungen sind nur noch hanebüchen
Es ist äußerst interessant, wenn man die Zeit findet, in renommierten Tageszeitungen und Zeitschriften zu lesen und nicht nur zu blättern. Insbesondere im Finanzresort finden sich echte, wie wollen wir es nennen? Stilblüten!?
So konnte man am vergangenen Wochenende unter dem Leitbegriff „Es ist nie zu spät für einen finanziellen Neuanfang“ folgendes lesen:
Ausgangspunkt soll eine 68jährige Rentnerin sein, deren Mann überraschend verstorben war und sie mit 2 Mietwohnungen zu einem Wert von 500.000 Euro, einem Einfamilienhaus, wir unterstellen eigengenutzt, Wert 600.000 Euro und einem Wertpapierdepot, Wert 400.000 Euro, zurückgelassen hat. Dazu kommt jetzt noch die Auszahlung einer Lebensversicherung mit 300.000 Euro.
Alles in allem stehen damit 1,8 Mio. Euro zur Verfügung. Als Problem wird entwickelt, dass der Dame durch eine niedrige Rente mtl. 516 Euro fehlen. Die müssen nun irgendwo reinkommen, weshalb sie die Hilfe eines ebenfalls renommierten Honoraranlageberaters sucht.
Dieser macht sich flott ans Werk, auch Honorar will verdient sein und kommt nach einer eingehenden Analyse zu einem vernichtenden Ergebnis. Das Depot ist bald nichts mehr wert, da viele der dort liegenden Papiere auslaufen und die Neuanlagen sogar zu einer Negativverzinsung führen können.
Dann haben wir da noch die Immobilien, für die er in den nächsten Jahren Sanierungsmaßnahmen erkennen will, Umfang 250.000 Euro.
Und nun erkennt er die ultimative Lösung:
Dem Vermögen müssen unbedingt Aktien beigemischt werden, internationale, nationale, Nebenwerte und nicht zu vergessen ETFs, Aktien- und Rentenfonds und alles Mögliche andere.
Mit dem zu erwartenden Wertzuwachs von 2,5 bis 3,0 % nach Kosten kann die gute Frau nach Überzeugung dieses Anlageberaters die fehlenden 516 Euro jeden Monat auffangen. Und mit einem Auszahlplan auch gleich noch die Immobiliensanierung bezahlen.
Natürlich, so unterstellen wir hier boshaft, unter fachkundiger regelmäßiger Anleitung und Beratung durch den Berater! Ein angemessenes regelmäßiges Salär ist wohl selbstverständlich.
Unser etwas laienhaft Vorschlag und ohne jegliche Altersdiskriminierung – und ohne laufendes Honorar:
Die Wohnungen verkaufen, gibt eine halbe Million, damit spart man sich schon mal die Sanierungskosten. Aus dem Erlös jeden Monat 516 Euro aufs laufende Konto umbuchen reicht für – Moment: Taschenrechner! 968,99 Monate. Durch 12 geteilt ergibt das lockere 80 Jahre! Wenn sie noch so lange leben will.
In der Zwischenzeit könnte man auch das Haus verkaufen, das möglicherweise viel zu groß ist, sich eine bequeme Wohnung in einem Haus mit Concierge nehmen, lustig um die Welt jetten, sich an den Kontoauszügen mit dem Depot und dem Geld der Lebensversicherung freuen und nicht täglich den Berater anrufen und hoffen, dass die tollen Anlageprodukte je nach Börsenlage im Kurs gefallen sind.
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