Ein mobiler Einzelhändler in Süßwaren
In den 80er Jahren hatten wir als Bank noch recht kundenorientiert und flexibel gearbeitet, ohne dass wir deshalb größere Kreditrisiken eingegangen wären.
Und so trudelte eines Tages eine Finanzierungsanfrage zum Kauf und Sanierung eines heruntergekommenen Mehrfamilienhauses in der Nähe von Wuppertal auf den Tisch. Von der Sorte Häuser gab es im Rheinland, vornehmlich im Ruhrgebiet zu der Zeit mehr als reichlich.
Der potentielle Kunde verdiente sein Geld den Sommer über auf der Kirmes, die ganze Familie arbeitete mit. Zuckerwatte, gebrannte Mandeln, Obst in Schokolade, die Süßteile, vor denen wir als Kinder immer mit großen Augen standen und die auch in späteren Jahren noch für die eine oder andere Magenverstimmung sorgten. Aber sie waren gut!
Den Winter über gab es, nachdem die Wagen repariert und auf die neue Saison vorbereitet waren, wenig zu tun und so hatten die Leute schon etliche Häuser gekauft und Vater und Söhne, überwiegend in Eigenleistung saniert.
Und das Ganze sehr ordentlich, wie wir uns bei etlichen Besichtigungen überzeugen konnten.
Somit war die Sache für die neue Anfrage relativ einfach. Die Kunden können das, sie wissen was sie tun und wenn sie erst mal fertig sind, rechnet sich das Haus und konnte guten Gewissens für die Altersvorsorge kalkuliert werden.
Einzig die Auszahlungen mussten etwas unkonventionell erfolgen, aber da unsereiner über die erforderliche Kreativität verfügte, war das letztlich kein Problem und schon im kommenden Frühjahr war das Haus fertig und konnte bezogen werden.
Wie es nun mal so ist, bekam nach ein zwei Jahren die Revision die Akte in die Finger und hatte etwas, wo sie sich umfangreich auslassen konnte.
Echte Regelverstöße waren bei aller Mühe nicht zu finden, vielleicht hier und da ein wenig die Grauzone gestreift, das eine oder andere interpretationsfähig, durchaus kreativ gestaltet, aber trotz vier Seiten Bericht war trotzdem nicht wirklich etwas Substantielles auffindbar, um den Leuten aus der Niederlassung mal zu zeigen, wo es lang zu gehen hat. Und so verfielen sie dann auf das Statement, dass wir in unsäglicher Manie und unter Missachtung aller Risiken Kredite an Schausteller vergeben würden.
Nun war und ist Schausteller nichts Ehrenrühriges, und wer schon seit Jahren damit sein Geld verdient hat, weiß, wie es geht und was er zu arbeiten hat.
Die vier Seiten Moniten waren recht schnell von Tisch gewischt, unsinnig, nicht zutreffend und überhaupt war das Haus fertig, voll vermietet und die erfolgte kreative Abwicklung war nirgends untersagt.
Nun war nur noch der Schausteller übrig, was wir so aber auch nicht stehen lassen wollten. Ehrensache, einen Revisionsbericht zu zerpflücken und als in allen Punkten vollständig unzutreffend zurückzuweisen.
Zwei Tage und etliche Direktorkaffee später dann der Geistesblitz als Fazit unserer Antwort:
„Erstens sind die bemängelten Punkte alle nicht zutreffend und gegen die Bezeichnung Schausteller für einen soliden Kunden müssen wir uns auf das Energischste verwahren. Vielmehr handelt es sich um einen soliden und landesweit bekannten mobilen Einzelhändler in Süßwaren!“
Ich war überzeugt, dass wir damit durchkommen, unser Niederlassungsleiter nicht so ganz, aber letztlich haben wir auf die dreisten Ausführungen nie wieder etwas gehört.
Gut, irgendwann bekam ich unter vier Augen gesagt, man würde mir das nicht vergessen, aber solche Drohungen hörte ich nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal.
Ja so warn’s, ja so warn’s, ja so warn’s die oiden Rittersleut, die oiden Rittesleut 🙂 Zähle mich vollumfänglich dazu!
ja, das waren noch Zeiten. Es wurde vernünftig gearbeitet und die Risiken waren eher weniger. Heute wird noch mehr auf Umsatz gepowert und wenn’s nicht passt oder gar schief geht: der Computer hat gesagt!